Genomdaten: Ihre Bedeutung für die moderne Medizinforschung und Diagnostik

Anlässlich der Veröffentlichung ihrer neuesten Broschüre "Im Fokus: Genomdaten" hat die AG Gentechnologiebericht in Kooperation mit GHGA zu einer öffentlichen Abendveranstaltung zur Bedeutung von Genomdaten in der modernen Medizinforschung und Diagnostik eingeladen.

Durch das Modellvorhaben Genomsequenzierung gemäß § 64e SGB werden erstmals Genomdaten, die durch Genomsequenzierung gewonnen werden, für diagnostische Zwecke und die Therapieplanung als Teil der Regelversorgung nutzbar gemacht. Dies führt dazu, dass Genomanalysen in der klinischen Routineversorgung eine immer wichtigere Rolle einnehmen werden, da eine direkte Verbindung zwischen Genomsequenzierung und der individuellen Diagnose sowie der Behandlung von Krankheiten hergestellt werden kann. Dabei stellen Genomdaten nicht nur technische Herausforderungen in Bezug auf die Archivierung dar, sondern auch fachliche Herausforderungen bei der Interpretation. Die Verwendung von Genomdaten in der klinischen Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen sowie in der Forschung wirft zudem ethisch-rechtliche und soziale Fragen zum Umgang mit diesen hochkomplexen und sensiblen Daten auf, welche an diesem Abend addressiert wurden.

Nach einer Begrüßung durch Boris Fehse, dem Sprecher der AG Gentechnologiebericht, und einer Einführung von Jörn Walter, dem stellvertretenden Sprecher, hat Nadine Biernath die praktische Bedeutung des Modellvorhabens für die Diagnose und Behandlung am Beispiel des Prostatakarzinoms erläutert. Das Modellvorhaben stelle eine geeignete Möglichkeit zur Veranlassung breiter genetischer Testung für onkologische Patient*innen dar und ermögliche eine individualisierte Therapie, eine Vorhersage über Resistenzen und die genetische Evolution von Tumoren. Als Nächstes referierte Oliver Kohlbacher online über Genomdateninfrastrukturen und die besondere Bedeutung einer zentralen Datenarchivierung für die Genomforschung. Dabei wurde eine föderierte Dateninfrastruktur vorgestellt, welche die sichere Nutzung bei gleichzeitigem Schutz der Privatsphäre der Betroffenen ermöglicht: Mit GHGA wird eine solche Dateninfrakstruktur gerade auch für das Modellvorhaben Genomsequenzierung in Betrieb genommen. Ralf Müller-Terpitz führte in Form eines Speeddatings durch die medizinrechtlichen Aspekte. Diese beinhalteten die neuen gesetzlichen Vorgaben zur unionsrechtlichen Verarbeitungsgrundlage des EU Health Data Space sowie zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Anschließend erklärte Eva Winkler den ethischen Rahmen für die Nutzung von Genomdaten. Dabei beleuchtete sie Unterschiede zwischen klinischer und Forschungsethik, und beschrieb die vier ethischen Diskussionsfelder: Nutzung der Daten und Schutz der Privatsphäre, Umgang mit Zusatzbefunden, Informierte Einwilligung und Governance. Olaf Rieß schloss die Vorträge mit der Bedeutung des Modellvorhabens für die Diagnose und Behandlung von seltenen genetisch bedingten Erkrankungen. Dabei betonte er die Wichtigkeit der Vernetzung bei gerade Seltenen Erkrankungen, da diese zu 80% eine monogene Ursache haben und bettete diese in das Modellvorhaben und seine Netzwerk ein.

In der abschließenden Podiumsdiskussion, welche von Jörn Walter moderiert wurde, diskutierten Thorsten Schlomm und Kolleg*innen, sowohl die klinischen Herausforderungen als auch Möglichkeiten der Genomsequenzierungen. Es wurden nochmals vertiefend die ethisch-rechtlichen Aspekte sowie die Infrastruktur und die Besonderheit für die klinische Praxis herausgearbeitet. Fragen des Publikums, wie etwa ‚Wie läuft so eine Sequenzierung vom Ärzt*innenkontakt bis hin zum Output ab?‘, ‚Warum können manche Daten nicht anonymisiert werden?‘ oder ‚Was für eine Rolle wird die Künstliche Intelligenz spielen?‘, wurden in offener Atmosphäre gemeinsam beantwortet.

GHGA war nicht nur als Kooperationspartner im Rahmen der Broschüre präsent, sondern auch durch die Expertise der Referent*innen Eva Winkler, Olaf Riess, Jörn Walter, Oliver Kohlbacher und Thorsten Schlomm. Es wurde einmal mehr deutlich, welche zentrale Rolle GHGA bei dem Aufbau einer sicheren nationalen Omics-Dateninfrastruktur spielt, die einen Rahmen für die Nutzung menschlicher Genomdaten für Forschungszwecke bietet und gleichzeitig Datenmissbrauch verhindert.